Trauerspiel in Oberwiesenthal

In Oberwiesenthal ticken die Uhren scheinbar anders. Während man auf der UN-Artenschutzkonferenz beschließt, erheblich mehr für den Erhalt der biologischen Vielfalt und den Schutz der Arten zu tun, während man im Erzgebirgskreis ein Naturschutzgroßprojekt ins Leben ruft, bei dem erhebliche finanzielle Mittel in den Schutz der Bergwiesen fließen werden, während man im Rahmen eines Wiesenbrüterschutzprojektes seit Jahren versucht, solch mittlerweile zu Raritäten gewordene Wiesenbewohner wie Braunkehlchen, Bekassine, Wachtelkönig und Wiesenpieper vor dem endgültigen Verschwinden aus dem sächsischen Erzgebirge zu bewahren, fasst man im Stadtrat von Oberwiesenthal den einstimmigen Beschluss, eine der wertvollsten Bergwiesen der Region überhaupt mit einem noch erstaunlich guten Wiesenbrütervorkommen zumindest in Teilen unter einer Ferienhaussiedlung zu begraben. Offensichtlich glaubt man auf dem Dach von Sachsen immer noch, aus dem Vollen schöpfen und Flächen versiegeln und vernutzen zu können wie eh und je, und seien sie noch so wertvoll und strotzend vor Leben.
In einem Artikel in der Freien Presse vom 13. Januar gibt der Flächeneigentümer und Investor des Vorhabens mit unverkennbarer Hybris als maßgeblichen Grund für sein Vorhaben an, dass er den Beweis antreten wolle, dass man in Oberwiesenthal noch bauen kann und preist die Wohltaten, die er als Gegenleistung erbringen würde. Vielsagend auch seine Bemerkung, dass er als Flächeneigentümer auf den Flächen ja auch einfach eine intensive Nutzung etablieren könnte, dann wäre die schöne Bergwiese ja auch im Eimer. Dass der langjährige Chef eines Architektur- und Ingenieurbüros zu solchen Gedankengängen neigt, verwundert nicht wirklich. Dass ein kompletter Stadtrat dazu einhellig seinen Segen erteilt, das schon eher.
Über soviel hartnäckige Ignoranz auch der Tatsache gegenüber, dass man bei rapide sinkender Schneesicherheit mehr und mehr auf die eigentlichen Stärken der Region – nämlich eine einigermaßen intakte und schöne Natur und Landschaft mit einer attraktiven Tier- und Pflanzenwelt – angewiesen sein wird, kann man eigentlich nur staunen. Stattdessen begräbt man sie nach alter Gewohnheit und als hätte sich nichts verändert unter immer mehr touristischer Infrastruktur und schielt zuweilen noch neidisch auf den Keilberg, den Zwillingsberg jenseits der Grenze, wo man scheinbar noch schneller und unbürokratischer Natur und Landschaft ruinieren darf.
Bleibt zu hoffen, dass sich die sächsischen Naturschutzverbände für den Klageweg entscheiden, die vermutlich einzige Möglichkeit, diesen Frevel eventuell noch zu verhindern.

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