„Wildwest“ im Erzgebirge

Wir Erzgebirger brauchen nicht den Umweg über den Fernseher oder den Gang ins Kino zu machen, bei uns reicht ein Spaziergang durch Natur und Landschaft und schon ist man wie in einem Western in eine wüste Schießerei verwickelt, bei der zwar keine Colts, aber ebenfalls tödliche Waffen zum Einsatz kommen. So geschehen im lebhaft begangenen Lehmergrund in Johanngeogenstadt laut einem Artikel in der Freien Presse vom 2.2.2023, gemäß dem ein in die Keule getroffener junger Rothirsch von einem Jäger verfolgt wird und eine Skiläuferin in die „Schusslinie“ gerät. Der Jäger gibt mehrere Schüsse ab und „stürmt“ trotz der Rufe der Frau unbeirrt weiter in Erfüllung seiner hehren Mission, das verletzte Tier zu erlösen. Zweifelsohne scheinen manche Schützen in unseren Forsten weniger begabt zu sein als die Cowboyhelden. Einen Junghirsch in die Keule zu treffen ist ungefähr so, als landet beim Menschen ein gezielter Herzschuss in der Kniescheibe. Manchmal sollte man das Abdrücken eben lieber sein lassen. Jedenfalls besser als verletzte Tiere dann stundenlang verfolgen zu müssen und Spaziergänger oder Skiläufer zu verschrecken und zu gefährden.
Aber bei Sachsenforst scheint das alles ganz normal zu sein. Denn die Hatz wird unbeirrt fortgesetzt, egal, wer da so alles in der Landschaft herumspringt. Einigen Vertretern scheint die leidenschaftliche Verfolgung der Tiere – und das nicht nur zur Nachsuche – förmlich in Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Denn vielsagend ist auch, dass sie selbst am 31.01., dem letzten legitimen Jagdtag, noch fleißig zu Gange sind.
Und Fehlschüsse scheinen dabei keinesfalls eine Ausnahme zu sein, denn nicht zum ersten Mal bekommen wir solche Kuriosa geliefert, bei denen man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. In einem Beitrag in der Freien Presse vom 11.7.2020 war von Schüssen gegen Mitternacht auf einer Wiese zwischen Bockau und Blauenthal zu lesen. Nach einem Gemeinschaftsansitz bei Hundshübel wurde stundenlang nach zwei Rehen und einem Wildschwein nachgesucht, ehe die Sache dann endlich zu Ende gebracht werden konnte. Von der Dunkelziffer gar nicht zu reden. Über die armen, verletzten Tiere mag man gar nicht nachdenken.
Solchen Auswüchsen sollte endlich ein Riegel vorgeschoben werden. „Wildwest im Erzgebirge“ sollte nicht die Regel sein.